Wenn die DNA einigermaßen grob gesprochen die Blaupause eines Organismus ist, dann bedeuten Veränderungen hier, an den Stellschrauben eines Lebewesens zu drehen. Möglicherweise ließe sich seinem Bauplan insgesamt eine Neuaflage verpassen – was allerdings noch sehr hypothetisch ist. Das Verfahren, um das es hier geht, firmiert unter dem Namen „genome editing“. John Parrington, associate professor in molekularer Pharmakologie in Oxford, hat dazu gerade eine populärwissenschaftliche Einführung geschrieben. Zu CRISPR/Cas9 – oder kurz CRISPR – meint er:
„Die Wörter ‚revolutionär‘ und ‚Durchbruch‘ werden in einigen Medienberichten inflationär gebraucht … Aber hier und da kommt es zu einer wissenschaftlichen Entdeckung, deren gesellschaftliche Folgen wahrscheinlich so immens sein werden, dass sogar eine Fülle von Superlativen dem nicht vollends gerecht wird. ‚Genome editing‘ sieht ganz nach einer solchen Entdeckung aus.“ (Übers. A. M.)
Soll‘n wir‘s wagen? Die Aussicht eines tiefen Eingriffs in eine so bedeutende Funktion in das Funktionieren des menschlichen Körpers erscheint manchen äußerst verlockend. Andere überkommt dabei eher ein unheimliches Gefühl. Soll man davon sprechen, dass wir hier „Gott spielen“ könnten? Vielleicht sollte unsere Ausdrucksweise neutraler und sachlicher bleiben? Andere wiederum meinen, Gott spielen sollen wir hier durchaus...
Dieser Blog wird verschiedenste Themen in der Modifikation des menschlichen Genoms untersuchen. Die Perspektive, die ich dabei einnehme, ist eine ethische, die also nach dem richtigen oder dem guten Handeln fragt (genauer gesagt eine christlich-ethische – dazu später mehr). Doch zunächst: Was „kann“ denn CRISPR so? Hier sind zunächst Versuche zu nennen, bestimmte Krankheiten zu heilen oder zu vermeiden. Eine bestimmte Gruppe von Krankheiten wird vor allem auf sehr begrenzte Normabweichungen in der DNA zurückgeführt – die sogenannten monogenetischen Krankheiten. Die Weltgesundheitsorganisation führt sieben Krankheiten als Hauptbeispiele von weit über 1000 auf: Thalassämie, Sichelzellenanämie, Bluterkrankheit (Hämophilie), Mukoviszidose (zystische Fibrose), das Tay-Sachs-Syndrom, das Fragiles-X-Syndrom (genauer gesagt handelt es sich eigentlich um eine Behinderung) und Chorea Huntington. Diese Krankheiten beeinträchtigen die Lebensqualität von Millionen von Menschen weltweit signifikant, oft auf äußerst schädliche Weise. Die Behandlung durch genome editing wiederum wäre maßgeschneidert für den Patienten. Auch bestimmte Arten von Krebs – wenn auch keineswegs alle – lassen sich so behandeln. Bislang wurden zwei krebskranke Kleinkinder mit einer genetischen Modifikation ihres Immunsystems behandelt – mit einer Methode, die CRISPR sehr ähnlich ist – und bislang sieht es nach einem Erfolg aus. Weitere Diskussionen kreisen um die Modifikation von irregulärer DNA in der befruchteten Eizelle vor der Einpflanzung in die Gebärmutter – was wiederum neue biologische und ethische Fragen aufwirft.
Neben der Therapie regt genome editing auch die Fantasie derjenigen Denker an, die an den Fähigkeiten gesunder Menschen herumdoktorn wollen – sogenannte Enhancements. Während ein einzelnes Gen eine maßgebliche Rolle für ein bestimmtes Krankheitsbild spielen kann, gibt es sicherlich kein einzelnes Gen „für Intelligenz“ oder „für sportliches Talent“. Dabei handelt es sich um sehr komplexe Phänomene. Trotzdem kann es genetische Modifikationen geben, die das Gedächtnis leistungsfähiger machen oder die Muskelkraft erhöhen. Auf weite Strecken ist die Enhancement-Frage wesentlich hypothetischer als die Frage nach genetischen Therapien. Bestimmte Eingriffe führen bei Mäusen allerdings zu Resultaten. Einen Menschen zu modifizieren ist natürlich ein Projekt ganz anderen Kalibers als eine Maus, schon allein biologisch gesprochen, und Verfahren lassen sich nicht direkt von der Maus auf den Menschen übertragen.
Doch die Aussicht, an der menschlichen DNA herumzubasteln, gibt uns zu denken: Ist ein Enhancement tatsächlich wünschenswert? Oder wenn etwas Wünschenswertes an sich als Enhancement definiert wird, was lässt sich als ein echtes Enhancement bezeichnen? Manche stellen auch in Frage, ob genetische Modifikationen für therapeutische Zwecke genutzt werden sollen. Was sind die Risiken? Was sind die sozialen Konsequenzen? Das sind die bekannten „ELSI-Fragen“: „Ethical, Legal and Social Implications“, ethische, rechtliche und soziale Implikationen. Weiter: Läuft diese Entwicklung auf eine rein instrumentelle Behandlung unseres Leibes (bzw. Körpers) hinaus? Aus der Perspektive der christlichen Ethik stellen sich Fragen zur Beziehung zwischen genetischen Eingriffen und der „Güte“ der Schöpfung. Biblische Traditionen können neues Licht darauf werfen, welche Eigenschaften eines Organismus wünschenswert sind und wie solche Einschätzungen eigentlich vonstatten gehen. Doch hier von der christlichen Ethik zu sprechen, soll nicht in einem exklusivistischen Sinne verstanden werden. Die christliche Ethik würde ihre Aufgabe verfehlen, wenn sie nicht darauf aus wäre, mit den verschiedensten Stimmen der pluralistischen Gesellschaft in Dialog zu treten.
Das Gene editing und CRISPR im besonderen werfen wichtige ethische Fragen auf. Ein näherer Blick auf die wissenschaftlichen Hintergründe sollte sich oft als hilfreich herausstellen. Um die moralischen Fragen anzugehen, ist außerdem eine präzise philosophische und theologische Argumentation nötig. Ich würde mich freuen, wenn Sie mich bei dieser Unternehmung auf den Seiten dieses Blogs begleiten!
Bildnachweis: (c) Wikimedia Commons
- DNA Double Helix. Author: National Human Genome Research Institute
- Athletics Pictogram. Public Domain.
- Mus musculus. Author: George Shuklin
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