Theologie der Natur. Wolfhart Pannenbergs Beitrag zum Dialog zwischen Theologie und Naturwissenschaft von Anja Lebkücher

Rezension von Dr. Andreas Losch

Wolfhart Pannenberg ist einer der Altmeister im Gespräch der Theologie mit den Naturwissenschaften. Inzwischen hat er sich zwar zur Ruhe gesetzt, doch viele Jahre hat er den deutschsprachigen wie internationalen Dialog entscheidend geprägt. Entsprechend wertvoll ist die Darstellung seines Beitrags zu diesem Gespräch, den Anja Lebkücher in ihrer bei Neukirchen erschienenen Analyse erfrischend kritisch vornimmt.

Schön an dem Buch ist unter anderen der klare Aufbau. Das betrifft nicht nur die Gliederung in fünf Teile, sondern auch innerhalb der jeweiligen Unterkapitel die deutliche Abfolge von Darstellung und Kritik. Die ausführliche Einleitung (=Kapitel I, auch wenn die Ziffer im Inhaltsverzeichnis hier leider verschwunden ist) informiert über Grundlagen und Hintergründe von Pannenbergs „Theologie der Natur“. Das zweite Kapitel befasst sich mit Pannenbergs an Scholz und Popper orientierten wissenschaftstheoretischen Erörterungen, Kapitel drei mit seinem Gottesgedanken, in denen der Feldbegriff und das Konzept der Kontingenz eine entscheidende Rolle spielen, und Kapitel vier mit Pannenbergs Weltbeschreibung (wie er mit Raum und Zeit, Kosmologie und Evolution umgeht), bevor Kapitel fünf dann ein Fazit zieht.

 

Grundlegende Einsichten

Viele grundlegende Einsichten des Dialogs von Theologie und Naturwissenschaften kann man bei Pannenberg finden. So macht er bereits die Asymmetrie dieses Dialogs deutlich (die Theologie muss die Naturwissenschaften berücksichtigen, aber nicht unbedingt umgekehrt) und erkennt die Brückenfunktion einer Naturphilosophie an. Er formuliert Konsonanz und Kohärenz, also Harmonie und Widerspruchsfreiheit,  als Ziel seiner Theologie der Natur, die sich mit ihrem expliziten Naturbezug von „leeren“ Schöpfungstheologien abgrenzt, welche auf den Bezug zu den Naturwissenschaften verzichten. Der Autorin entgeht dabei nicht, dass Pannenbergs Darstellung des geschichtlichen Verhältnisses von Theologie und Naturwissenschaften als Konflikt allerdings eher der medialen Wahrnehmung des Themas als der geschichtlichen Wahrheit geschuldet ist.

 

Wissenschaftstheoretische Versuche

In der wissenschaftstheoretischen Auseinandersetzung hebt Pannenberg im Anschluss an Scholz und Popper auf die Überprüfbarkeit der theologischen Aussagen ab. Anders als Scholz ist Pannenberg überzeugt, Theologie müsse wissenschaftlichen Kriterien genügen und bemüht eben dazu Popper. Er übersieht dabei allerdings weitgehend, dass dessen Falsifikationsprinzip eigentlich nur auf die Naturwissenschaften anwendbar ist und verteidigt die Theologie damit gegen ein Prinzip, dessen Anwendung auf die Geisteswissenschaften Popper gerade ausschließt,  wie die Autorin zu Recht anmerkt. Andererseits muss er Poppers methodisches Herzstück, die Falsifikation, aufgeben, was den Sinn der Anwendung von Poppers Theorien auf die Theologie grundsätzlich in Frage stellt. Von hier aus kann man vielleicht verstehen, dass sich auch eher die Wissenschaftstheorie Michael Polanyis, der vom „Glauben“ als grundlegendem Wissenschaftskonzept ausgeht, im Gespräch zwischen Theologie und Naturwissenschaften etabliert hat. Interessant wäre daher sicherlich auch ein Vergleich mit der Art und Weise gewesen, wie der Physiker und Theologe John Polkinghorne mit Polanyi und zugleich mit Popper umgeht, doch eine Eigenart der Arbeit von Lebkücher ist es, sich auf Pannenberg und dessen engere Rezeption zu beschränken, was der Abgrenzung der Arbeit andererseits sicher hilfreich ist.

 

Gott als Feld?

Das ausführliche Kapitel über  Pannenbergs Gottesgedanken macht deutlich, dass Pannenberg den Feldbegriff in seiner Theologie auf zwei verschiedene Arten verwendet. Zunächst bezieht er ihn, so die aufmerksame Analyse der Autorin, auch auf die dritte Person der Trinität, später jedoch nur noch auf den dreieinigen Gott, während die dritte Person der Trinität mit dem „Geist des Lebens“ identifiziert wird. Die ursprüngliche Einheit von Kraftfeld und Geist des Lebens wurde damit auf zwei verschiedene Konzepte aufgeteilt. Zu Recht kritisiert Lebkücher, dass Pannenberg ein Verständnis des Feldbegriffs als Metapher, der seine manchmal durchaus schwierigen physikalischen Bezüge relativieren könnte, leider ablehnt. Er klammert sich daran, dass es um „mehr“ als eine Metapher gehe,  kann dieses „mehr“ aber kaum definieren. Würde er wahrnehmen, dass der Metaphernbegriff in der Theologie einen keineswegs geringen Stellenwert einnimmt, könnte er diese Schwierigkeiten wohl vermeiden.

Die Auseinandersetzung mit dem Kontingenzbegriff, sicherlich eine der Stärken der Arbeiten Pannenbergs, werden von der Autorin allerdings ebenso kritisch betrachtet. Wenn seine Gedanken nach Art des kosmologischen Gottesbeweises auf die Notwendigkeit eines Schöpfers hinauslaufen, mag diese Kritik berechtigt sein, ihm jedoch die einfach die Forderung eines Lückenbüßergottes zu attestieren (S. 121), greift wohl etwas kurz und sollte zu intensiverer Auseinandersetzung mit diesem Kritikpunkt führen.

 

Weltbeschreibung

Selten wird beachtet, so die Autorin, dass Pannenbergs Auseinandersetzung mit der Biologie seinen kosmologischen Erörterungen in nichts nachsteht. So finden sich in Lebküchers  Kapitel zur „Weltbeschreibung“ nicht nur Ausführungen zu „Raum und Zeit“ und zur Kosmologie, sondern eben auch eine differenzierte Darstellung von Pannenbergs Positionen zur Evolution. Zuvor macht Lebkücher zu Recht darauf aufmerksam, dass Pannenbergs Prävalenz der Zukunft von dem Religionsphilosophen Georg Picht beeinflusst sein dürfte. Auch weist sie auf die breite Kritik hin, die Pannenbergs Rezeption der Omegapunkttheorie des Physikers Tipler nach sich gezogen hat (wobei er interessanterweise den Inspirator dieser Theorie, Teilhard de Chardin, nicht rezipiert).

 

Fazit

Das abschließende Kapitel bündelt noch einmal Lebküchers Kritik an Pannenbergs Positionen und führt diese teilweise weiter, etwa wenn mit Mutschler die Unterscheidung von Lebenswelt und Wissenschaft angemahnt oder der Feldbegriff – als Metapher gedacht – gewürdigt wird. Man hätte sich vielleicht hier noch stärker eigene Positionierungen der Autorin gewünscht, so macht der Schluss einen etwas stark repetitiven Eindruck, doch muss man sagen, dass der Autorin damit zumindest ansatzweise eine Würdigung der Verdienste Pannenbergs gelingt.

Kleinere Kritikpunkte sind das unvermittelte Auftauchen des „Kritischen Realismus“ auf Seite 15, mit dem vermutlich der Kritische Rationalismus gemeint ist und die in den Literaturangaben erfolgte Umtaufe Robert John Russells, Direktor des CTNS in Berkeley/CA, in John M. Russell (S. 116, 218).
Wer einen kritischen Überblick über Pannenbergs Positionen im Dialog von Theologie und Naturwissenschaften sucht, ist mit dem vorliegenden Werk aber sehr gut bedient. Der Preis ist für eine Doktorarbeit im Paperback mit 34,90 € recht moderat. Ein Register wäre natürlich schön gewesen.

 220 Seiten, Neukirchener Verlagshaus 2011, ISBN 978-3-7877-2501-1

Dr. Andreas Losch, Duisburg im September 2011