Tierethik im Horizont der Gottebenbildlichkeit. Zur Bedeutung des Menschenbildes in der Ethik der Mensch-Tier-Beziehungen von Niklas Peuckmann

Rezension von Dr. Clemens Wustmans

Niklas Peuckmann verfolgt mit seinem Band gegen die Tendenz eines Großteils der Debatte die These, dass eine Tierethik den Anthropozentrismus nicht überwinden sollte, sondern vielmehr auf ihn angewiesen ist, da erst so die Handlungsfähigkeit des Menschen ermöglicht wird, Tierwohl zu realisieren. Zum Ankerpunkt seiner Überlegungen macht Peuckmann das Nachdenken über die Gottebenbildlichkeit.

Ausgangspunkt für die zunächst etwas überraschende Pointe bei Peuckmann, ausgerechnet die Gottebenbildlichkeit des Menschen zum Kern der Überlegungen für eine Tierethik (die er selbst treffend als Ethik der Mensch-Tier-Beziehung charakterisiert) zu machen, ist die Verortung des in den vergangenen Jahren akademisch immer breiter diskutierten Felds der Tierethik als konkretes Aufgabenfeld der ökologischen Ethik. Dies ist keineswegs breiter Konsens in der Debatte, wird jedoch zunehmend und auch von Peuckmann sinnvoll argumentativ begründet und auch zutreffend als pragmatisch-praktikables Konzept charakterisiert. Um gesellschaftspolitische Relevanz zu erlangen, müssen ethische Urteilsbildungen vor einer möglichen Implementierung und Umsetzung im Hinblick auf Spannungen zu gesellschaftlichen Realitäten und Sachgesetzlichkeiten überprüft werden. Eine durchzuführende Prüfung dahingehend, Spielräume (und Grenzen) ethisch legitimer Kompromisse auszuloten, gewinnt unter der Prämisse, tierethische Überlungen im Gesamtzusammenhang der ökologischen Ethik anzustellen. Bei einem Umfang von gut 100 Seiten kann die Bandbreite tierethischer Positionen selbstredend nur in Auswahl dargestellt, respektive oft nur angerissen werden; dies geschieht jedoch sehr kenntnisreich und analytisch sinnvoll, zudem reichen die dargestellten Ansätze von älteren philosophischen (Peter Singer) und theologischen Ansätzen (Albert Schweitzer) bis zu aktuellen Beiträgen wie der mehrfach kontrastierend angeführten Zoopolis-Theorie der kanadischen Philosophen Donaldson und Kymlicka. Einen Schwerpunkt legt Peuckmann jedoch auf die Analyse und Einordnung tierethischer Motive in theologischer Tradition; hierzu spannt er den Bogen von exegetischen Beobachtungen vor allem am Alten Testament über eine kenntnisreiche Darstellung verschiedener Positionen aus der kirchengeschichtlichen Tradition.

 

Der gottebenbildliche Mensch als Lösung, nicht als Problem

Den Kern des Bandes schließlich bildet die systematisch-theologische Reflexion der Tierethik im Horizont der Gottebenbildlichkeit. Hierzu analysiert er zunächst treffend die vorherrschende Asymmetrie, die sich in der starken Rezeption philosophischer Ansätze in der theologischen Ethik bei gleichzeitig oftmals vorherrschendem Desinteresse oder Abgrenzungsdrang der philosophischen Ethik gegenüber theologischen Konzepten zeigt. Auf der Grundlage der zuvor angestellten Überlegungen zur pragmatischen Umsetzung ethischer Überlegungen entwickelt Peuckmann jedoch gerade aus feststellbaren Unterschieden zwischen theologischen und philosophischen Entwürfen die Forderung nach einer selbstbewussteren Haltung der Theologie; das ihr vor dem Hintergrund des biblischen Befunds und der christlichen Anthropologie inhärente Element einer nur schwerlich zu überwindenden Anthropozentrik sieht Peuckmann dabei gerade als Chance an. Indem die auch für eine Tierethik nicht zu suspendierende anthropozentrische (oder mindestens anthroporelationale) Grundhaltung die ethische Frage nach dem Verhältnis zwischen Mensch und Tier somit zur Frage der Anthropologie werden lässt, sieht Peuckmann gerade in der christlichen Anthropologie und speziell im Modell der Imago Dei einen nicht zu unterschätzenden Mehrwert. Statt diese Charakterisierung auf die Problematisierung des biblischen Herrschaftsbefehls zu reduzieren, sieht er in der Deutung der Gottebenbildlichkeit als zweigliedriger Beziehung des Menschen zu Gott und der Schöpfung die Chance, Anthropozentrik nicht mehr normativ, sondern epistemisch zu deuten. So gelingt es, die vielerorts nur mit mäßigem Erfolg zu überwinden gesuchte anthroporelationale Ausrichtung auch der Tierethik nicht zur Hypothek werden zu lassen, sondern sie gewinnbringend in die Theoriebildung einzubinden. Auch die Übersetzung in eine säkulare Sprache – der Autor denkt erfreulich konsequent im Horizont von konkreter Umsetzung und Anschlussfähigkeit der ethischen Theoriebildung – scheint für Peuckmann abschließend möglich, wenngleich er einen letzten Mehrwert der pointierten Analyse in diesem Fall der theologischen Sprache vorbehalten sieht. Das Buch ist als bereichernde, selbstbewusste theologische Stimme in der materialethischen Debatte zu verstehen, zeigt sich dabei in hohem Maße anschlussfähig für ein echtes inter-disziplinäres Gespräch und füllt mit dem Gedanken der Gottebenbildlichkeit eine bisherige Leerstelle der theologisch-ethischen Argumentation.

Dr. Clemens Wustmans, Humboldt-Universität zu Berlin, Mai 2017

 

Bochum und Freiburg 2017, projekt Verlag, 119 Seiten, ISBN 978-3-89733-414-4, 13,80 €