400 Jahre Streit um die Wahrheit - Theologie und Naturwissenschaft von Hans Schwarz

Rezension von Dr. Andreas Losch

Das Verhältnis von Theologie und Naturwissenschaften als Konfliktgeschichte darzustellen, ist ein verbreitetes Motiv. Zunächst scheint dem auch Hans Schwarz, Regensburger Theologe und langjähriger Vorsitzender der Karl Heim Gesellschaft, in seinem geschichtlichen Abriss in Form dieses Taschenbuches zu folgen. Allerdings ist der Titel des Buches dann doch in einem gewissen Grad irreführend, denn die Darstellung der Geschichte selbst ist durchaus weniger konfliktreich als zu vermuten wäre.

Die verbreitete Auffassung, die allerdings auch im Buch eine gewisse Rolle spielt, geht so: Die Theologie, einst Königin der Wissenschaften, wird von den aufkommenden Naturwissenschaften von ihrem Thron gestoßen und befindet sich spätestens seit dem 19. Jahrhundert auf dem Rückzug. Doch dieser Narrativ bricht an manchen Stellen des Buches. Dem „Streit um Darwin“ folgt z.B. unter der Überschrift „Nordamerikas Problem mit Darwin“ zunächst die heute weniger bekannte positive Aufnahme der Evolution durch eine liberale Theologie.
 

Barths Theologie als Ghetto?

Der aufkommende Kreationismus und dann die kontinentale, von der Trennung der Disziplinen geprägte Haltung, werden als „konservativer Gegenschlag“ und „Rückzug der Theologie“ interpretiert. Für die „kontinentale Wagenburgmentalität“ sieht der Autor vor allem Karl Barth verantwortlich, im Gegensatz zum Außenseiter Karl Heim, der eine solche Haltung als „Ghetto“mentalität kritisiert hat. So mussten es die Naturwissenschaftler sein, die das Gespräch mit der Theologie wieder in Gang brachten. Dass dies nun ausgerechnet ein Barthschüler, der Physiker Günther Howe war, wird zwar dargestellt, aber wenig in seiner Bedeutung reflektiert. Nimmt man zumindest den schottischen Theologen Thomas Torrance noch hinzu, wird gar ein großes Gewicht einer von Barth geprägten Theologie im Gespräch mit den Naturwissenschaften deutlich. Auch hier steht der gewählte Narrativ zu den Inhalten des Buches durchaus in Spannung.
 

Angelsächsische Differenzen und zentrale Problemfelder

Im angelsächsischen Raum ist die Entwicklung mit Ian Barbours Issues in Science and Religion (1966), die einen bedeutsamen Neuansatz vor allem in Anschluss an den Philosophen Whitehead darstellten, etwas anders verlaufen. Dies führte zur Errichtung von verschiedenen Lehrstühlen für den Dialog von Theologie und Naturwissenschaften, während dies in Deutschland auf professoraler Ebene stets Nebenthema bleiben musste.

Nach dieser Darstellung der wichtigsten Gesprächspartner und Institutionen im Dialog von Theologie und Naturwissenschaften widmet sich Schwarz in einem Schlussteil noch kurz zentralen Problemfeldern, die er aber natürlich nur anreißen kann, wie etwa „Gehirn und Geist“ und „verantwortlicher Weltgestaltung“. Bei dem Thema (Intelligent) „Design“ bleibt jedoch die Frage, ob die Darstellung von Schwarz immer zutreffend ist (dies scheint mir allerdings auch bei anderen Kennern des Dialogs nicht immer der Fall zu sein). Eindeutig ablehnend positioniert hat sich hier die renommierte International Society for Science and Religion (ISSR), eine der wenigen Institutionen, die in dem Buch fehlen.
 

Fazit: Ein Kompendium für Kundige

Generell steht beim Autor die diesbezüglich etwas ambivalente Geschichte der Karl Heim Gesellschaft Pate für die vielleicht allzu leichtgängige Einreihung des Kreationismus in die Darstellung – vom Titel des Buches her macht sie natürlich Sinn. Das Buch liest sich locker, manchmal vielleicht ein wenig trocken, wenn Namen an Namen und Inhalte an Inhalte gereiht werden, und wo der Narrativ zu spüren ist, so ist dieser manchmal auch zu hinterfragen. Dennoch bietet sich dem Leser ein sehr umfangreiches und recht kundiges Kompendium der bedeutsamen Persönlichkeiten und Institutionen im Gespräch von Theologie und Naturwissenschaften, dazu kommen einige Vertreter des Kreationismus. Was fehlt ist eine gewisse Trennschärfe, in der Regel muss die Darstellung naturgemäß recht oberflächlich bleiben und tiefergehende Zusammenhänge kommen kaum in den Blick. Das Buch mag aufgrund der Vielzahl der genannten Persönlichkeiten zur Vervollständigung des eigenen Wissens dem nützlich sein, der die Erzählung auch anders kennt, als Einführung eignet es sich trotz vernünftigem Preis leider weniger.

Göttingen 2012, 211 Seiten, ISBN 978-3525540138, 22,99 €

Dr. Andreas Losch, Bern im Februar 2015

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